Gastgeberinnen Erzählen: Béatrice Meili, Kirchleerau AG

Hochzeitstruhe findet Hochzeitsschrank

Es war ein nebliger Herbsttag vor 10 Jahren. Im Schlosshof fand anlässlich des traditionellen Herbstmarktes der Flohmarkt der Pfadfinder statt. Vieles erinnerte an Grossmutters Zeit. Eine alte blecherne Giesskanne, ein kupferner Wasserkessel, eine Wäscheleine mit einem Hanfseil, ein hölzerner Liegestuhl und eine uralte, verstaubte Truhe. Die alte Truhe faszinierte mich, unter dem Staub konnte man schöne Zeichnungen und einen, von Hand geschriebenen Spruch erkennen. „Diese Kiste will niemand“, meinte eine Pfadfinderin etwas verächtlich, und, auf meine Frage, wie hoch denn der Preis wäre, meinte sie: „Den Preis können sie selber bestimmen, geben sie uns so viel sie möchten!“ Ich drückte ihr 50 Franken in die Hand und wollte noch den Liegestuhl und eine alte Ständerlampe dazukaufen. Die Pfadfinderin nahm die Note hocherfreut entgegen und meinte, die Lampe und der Stuhl seien ein Geschenk.

Zu Hause wurde die Truhe vorsichtig entstaubt, die schönen Blumenbilder samt Spruch kamen wieder zum Vorschein. Schlussendlich fand sie einen ehrenvollen Platz im Esszimmer und dient nun dort als Sideboard.

Ein paar Tage später, auf einem samstäglichen Streifzug ins Brockenhaus, kam ich zufällig beim Antikschreiner vorbei. In der hintersten Ecke des alten Bauernhauses stand einsam ein wunderschöner Bauernschrank, frisch renoviert und neu bemalt. Ein langer Spruch zierte den Kranz des Schranks. Ja, und genau dieser Spruch kam mir sehr bekannt vor. Ich schaute genauer hin. Da war auch ein Name aufgemalt, es war genau der gleiche Name wie auf meiner Truhe, dieselbe Jahreszahl und der gleiche Spruch! Etwas verwundert stand ich vor dem Möbelstück. Da kam der Antikschreiner dazu und erklärte mir Folgendes:“ Das ist ein über 200-jähriger Hochzeitsschrank, sehr wertvoll und zu diesem Schrank existiere eine Truhe mit derselben Malerei. Leider sei diese Truhe verlorengegangen!“

Dazu sagte ich nichts, ich war zu überrascht. Doch den Schrank habe ich bis heute nicht gekauft, er war zu schön restauriert und viel zu teuer. Den Antikschreiner liess ich im Glauben an die verlorengegangene Truhe zurück.

Béatrice Meili

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